Ragwurzen – sexuell übergriffig

Orchideen, die ein sehr merkwürdiges Verhalten an den Tag legen. Kann man hier von „sexueller Nötigung“ sprechen? Bleiben wir auf dem Teppich, denn es geht immer noch um Pflanzen. Deren Lebensweise kann man zwar mit menschlichen Eigenschaften vergleichen, aber in diesem Fall tut man ihnen damit Unrecht. Denn die Ragwurzen (Ophrys) haben nur eines im Sinn: die Art erhalten!

Aus der Ferne nur schwer zu entdecken: Fliegen-Ragwurz

Betrachten wir uns die Ragwurzen (früher oft auch Kerfstendel oder Insektenblumen genannt) und ihre Fortpflanzungsweise mal genauer. Sie haben sich extrem spezialisiert auf dem bunten Markt der Blüten, die alle um irgendeine Beihilfe zum „Liebesakt“ eifern. Denn sie können ihre Gene nicht direkt austauschen, der Blütenstaub mit männlichem Erbgut muss mit Hilfe eines Boten zur Narbe einer anderen Blüte transportiert werden, um sich dort im Fruchtknoten mit der Samenanlage, in denen die weiblichen Gene warten, zu vereinigen.

Obwohl sie Fliegen-Ragwurz heißt, lockt sie Grabwespen an

Wenn ich der allgemeinen Konkurrenz beim Werben um Bestäuber umgehen will, muss ich mich stark spezialisieren, auf eine ganz bestimmte Insektengruppe – etwa nur Männchen ausgewählter Arten wie Solitärbienen, Grabwespen, Fliegen. Männer umgarnt man am besten mit aufregenden Kurven, aufreizender Bekleidung und Aussicht auf Sex.

Herrgottsrock, Frauenträne, Teufelsantlitz, Sammetengel, Bergmanderl, Affengsichtli – die ungewöhnliche Blütenform regte zu vielen Volksnamen an

Wie locke ich Männer an? Mit Sexappeal. Also werden Blüten in Form und Farbe exakt nach dem Vorbild der entsprechenden Weibchen gebildet, selbst die Behaarung wird stimmig ausgeführt. Welcher Insekten-Mann fliegt da nicht drauf? Anhand perfekt nachgeahmter „Taille und Hüften“ sowie der feinen Haare erkennt das Männchen, wie es in die richtige Stellung kommt.

Ein erotischer Duft macht unwiderstehlich. Tatsächlich ahmen Ragwurzen den Duft paarungsbereiter Weibchen nach und verdrehen den Männchen damit vollständig den Kopf. Da wallen die Hormone, da kann mann gar nicht anders.

Während sich das Männchen im Liebesrausch auf der „Blütenfrau“ abrammelt (Pseudokopulation), werden ihm „Hörner“ aufgesetzt. Pollenpakete an langen Stielen auf die Stirn geklebt.

Nach einer Weile bemerkt das Männchen die Täuschung der Orchidee, lässt von ihr ab und wendet sich ab – mit den Pollenpaketen beladen. Das nächste Ziel? Ein Weibchen bitte! Schon ist das Männchen auf einer weiteren Ragwurz-Blüte gelandet, weil die doch so heiß und erregend nur auf ihn wartet…

So zarte Blumen und so viel „Hinterlist“? Nein, so faszinierende Pflanzen mit dem absoluten Bestreben, die Art zu erhalten. Trotzdem geil.

Und vielen Dank an Simone Braun, die mit ihrer Entdeckerfreude die Orchideen in Bildern festgehalten hat, so dass jeder die Gelegenheit hat, die seltenen Orchideen zu bewundern.

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