Lärchenwinter, Teil 1

Winter wurd’s im Wald, Weihnacht nicht weit. Und es war alles andere als warm. Die Zweige der Bäume schlotterten im frostigen Hauch, die Rinde ihrer Stämme schien mit den Borkenschuppen zu klappern. Die Moose hatten sich einen Kragen aus alten Nadeln umgelegt, die Farne und Waldblumen verzogen sich bibbernd unter dürres Laub. Der Eiswind jagte dem Boden Schauer über die Krume.

Ahorn und Ulme standen kahl, Birken und Pappeln nackt. Bei Buche und Eiche hingen zwar noch einige Blätter im Geäst, aber sie waren braun und verdorrt. Auch die alte Hainbuche, eingehüllt in einen dicken Efeumantel, hatte sich ihres Laubs entledigt und wirkte vor Kälte ganz starr. Das lebhafte Grün des Sommers war gewichen, Grau und Braun beherrschte die Szenerie. Vergessen das Farbenspektakel des Herbstes. Allein die Nadelbäume trugen noch grüne Kleider, allerdings hatte das Grün jetzt einen deutlichen Blaustich und war um einige Stufen dunkler geworden.

Mittendrin im Wald, an einem Hang, wo der Wind hinauffuhr und Nebelschwaden verblies, wuchs eine schlanke, grazile Lärche. Sie hatte ihre helle Freude am klirrenden Frost, am heulenden Sturm. Der Reif zog ihren langen Zweigen einen flirrenden Rock über, die Böen nahmen sie in ihre wirbelnden Arme, gemeinsam vollführten sie einen fidelen Wintertanz. „Ist dir denn gar nicht kalt?“, fragte die Buche gegenüber, deren Stamm nur eine dünne Silberhaut trug. „Kalt? Aber nicht doch, beim Tanzen wird’s einem ganz schön heiß um die Krone!“ meinte die Lärche, deren graubraune Borke in den tiefen Furchen rot zu glühen schien. „Winter, brrrr, scheußliche Jahreszeit.“ brummte die Buche, verlor astschüttelnd ein paar alte Blättchen und fror weiter vor sich hin.

Fortsetzung morgen…

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