Im Regen-Wald

Nein, ich bin nicht in die Tropen gefahren, um eine Expedition durch einen Regenwald zu unternehmen. Ich bin hier geblieben und bei Regen in den Wald gegangen. Was fällt auf?

Bei Regen im Wald trocken bleiben

Unter dichten Baumkronen, wie sie beispielsweise die Rotbuche (Fagus sylvatica) bildet, „regnet“ erst viel später – anfangs bleibt man dort schön trocken. Die dicht belaubten Kronen der Buchen halten das Nass vom Himmel sehr gut ab, vieles davon gelangt sogar nie bis zum Boden. Es verdunstet direkt aus dem Blätterdach wieder (fachsprachlich nennt man das Interzeption), lässt sich als Dunstschwaden („Rauch“) sehen, die nach dem Regen über dem Wald wabern. Dank der speziellen Kronenkonstruktion mit vielen aufstrebenden Ästen leitet eine Buche viel Regenwasser zum Stamm hin, wo es sehr effektiv auf der glatten Rinde herabläuft.

Buchen suchen?

Wenn’s nur regnet ja – aber nicht an den Stamm lehnen. Aber nicht bei Gewitter! Ein Blitz kann auf diesem durchgehenden Wasserfilm einfach abgleiten, der Stamm reißt dabei nicht auf wie etwa bei der grobborkigen Eiche. Also keinesfalls dem Hinweis „Eichen sollst du weichen, Buchen musst du suchen!“ folgen, denn Blitze schlagen in Buchen ebenso ein wie in Eichen.

Fichten halten Regen ab

Unter Fichten (Picea abies), die bis tief unten beastet sind, lässt es sich bei Regen ebenfalls ganz gut aushalten – jedenfalls eine Zeit lang. Irgendwann, wenn der Regen anhält oder zu stark wird, geht’s einem auch hier nass rein. Das Nadelkleid kann viel Wasser abhalten, es tropft mit Verzögerung dann Etage für Etage nach unten. Dabei wird es mehr und mehr nach außen geleitet, denn die Äste der Fichte hängen mehr und mehr nach unten durch, je tiefer sie am Stamm ansetzen. Der Regen läuft weitgehend über die Kronentraufe ab.

Petrus und die Fichte

Wetter ist Chefsache: Der Apostel Petrus hat die Schlüsselgewalt über den Himmel, er öffnet und schließt die Schleusen – und wird unter Fichten pudelnass.

Eine Legende erzählt, dass Petrus einst meinte, besser unter der einzigen hohen Fichte weit und breit den Regenguss abzuwarten, statt wie Jesus und die übrigen Jünger einfach weiter zu gehen und tropfnass zu werden. Jesus hatte wohl bemerkt, dass nicht alle von ihnen unter dem Baum Schutz finden würden, deshalb lief er weiter im Vertrauen, der Regen höre so rasch auf wie er angefangen hatte. Doch Petrus blieb stur und verzog sich unter die Fichte. Die wiederum war über den Ungehorsam von Petrus so erzürnt, dass sie ihre Äste alle nach unten hängen ließ, damit die ablaufenden Tropfen Petrus ordentlich durchnässten. Der Regen hörte draußen viel früher auf, als unter der Fichte…

Tropfen für Tropfen

Ich stelle mich bei Regen gerne bei großen Haselnusssträuchern (Corylus avellana) unter. Deren Blätter sind an den Spitzen ausgezogen, das Regenwasser läuft auf den Blattoberflächen in den eingekerbten Blattadern dahin zusammen und fällt in großen Tropfen herunter. Von einem Blatt zum nächsten, immer weiter nach außen zu. Perfekt, damit die Blätter durch den Regen schön sauber gewaschen werden. An den Träufelspitzen (drip tips) kann man gut erkennen, wohin das meiste Regenwasser fließt.

Efeu, ein Araliengewächs – diese Familie ist überwiegend in den Tropen verbreitet.

Träufelspitzen? Eigentlich typisch für Pflanzen, die in Klimaregionen wachsen, wo es besonders viel regnet – um das Wasser schnell von den Blattflächen abzuleiten, um Pilzen, Algen, Moosen und Epiphyten keine Gelegenheit zur Entwicklung zu bieten. So was gibt es aber auch bei uns, etwa beim Efeu (Hedera helix) – wahrscheinlich ein Überbleibsel aus längst vergangenen Zeiten, denn er stammt ursprünglich aus Tropenwäldern. Eine wachsige Blattoberfläche hilft zusätzlich, dass Regen schnell zu Tropfen zusammenläuft und dann an den Spitzen abtropft. Nur – unter Efeu kann man sich halt schlecht unterstellen…

Trocken geblieben?

Eine ganze Weile ja. Letztlich dann aber doch nicht. Gestört hat es mich nicht, denn es gab so viel zu entdecken im Wald bei Regen!

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